Wat a City

Einen Moment lang spielen Petra und ich mit dem Gedanken, unseren Taxifahrer einfach stehen zu lassen und in einem der günstigen Sammeltaxis zurück in die Stadt zu fahren. Wir haben ihn noch nicht bezahlt und das Sammeltaxi kostet nur ein Viertel des Preises, den wir ihm schulden. Dann gewinnt das schlechte Gewissen wieder die Oberhand. „Das würde richtig mieses Karma geben“, sagt Petra, und die Sache ist erledigt.

Meine Schwester und ich stehen unterhalb des Wat Phra That Doi Suthep, 15 Kilometer außerhalb Chiang Mais. Der Tempel gilt als Wahrzeichen der Stadt im Norden Thailands, die mit rund 131.000 Einwohnern die zweitgrößte des Landes ist.

Gut zwei Stunden haben wir uns die Klostergebäude, die goldglänzenden Stupas und Buddhastatuen angesehen und den Ausblick auf Chiang Mai genossen. Der Wat Doi Suthep wurde angeblich bereits 1383 auf einem Berg 700 Meter über der Stadt errichtet.

Ich rufe unseren Taxifahrer an, lasse ihn wissen, wo wir sind. Wenige Minuten später sitzen wir auf der offenen Rückbank seines roten Songthaews. Der Wind flattert in unseren Haaren, während das Auto die kurvige Straße bergab fährt und uns ins Zentrum bringt.

 

Der Wat Phra That Doi Suthep gilt als Wahrzeichen der Stadt Chiang Mai im Norden Thailands.
Der Legende nach wurde der Tempel bereits 1383 gegründet.
Auf rund 700 Metern Höhe bietet der Wat Doi Suthep einen schönen Blick auf Chiang Mai.
In einem roten Songthaew fahren Petra und ich zum Wat Doi Suthep – und zurück in die Stadt.

Wir treffen Alex in einem kleinen Restaurant. Nach einer Portion Mango-Sticky-Rice mit Kokosmilch schauen wir uns gemeinsam das Flussufer und noch mehr Tempel an. Chiang Mai soll die Stadt mit den meisten buddhistischen Tempeln in Thailand sein. Mehr als 200 verteilen sich angeblich auf dem Stadtgebiet.

Wir besichtigen den Wat Phra Singh mit seiner riesigen, von goldenen Mosaiken bedeckten Stupa, den Wat Chedi Luang, der einst 82 Meter hoch war, den von Pferdestatuen umgebenen Wat Kuan Kama, den Wat Lok Mo Li nicht weit von unserer Unterkunft. Und noch ein gutes Dutzend mehr.

 

Der Wat Phra Singh ist ein Königlicher Tempel erster Klasse. Insgesamt gibt es nur etwa 100 königliche Tempel in Thailand.
Seinen Namen hat der Tempel von der Buddhastatue Phra Phuttha Sihing.
Die Mauer des Wat Kuan Kama ist gesäumt von Pferdestatuen.
Petra und ein weißer Elefant auf dem Gelände des Wat Lok Mo Li, nicht weit von unserer Unterkunft.
Abends erleuchten Lampions und Laternen den Wat Lok Mo Li.
Un’altra pettinatura sarebbe forse più pratica.
Bei mehr als 30 Grad spazieren wir von Tempel zu Tempel. (Foto: Petra Maier)
Die Palme der Reisenden
Driving scooter like a boss.
GEFAHR. Oben arbeiten Männer.
Mönche in action.
Angler am Ping-Fluss

Am folgenden Tag fahren wir mit dem Zug nach Phitsanoluk, und mit dem Bus weiter nach Sukhothai. Die 37.000-Einwohner-Stadt liegt knapp 300 Kilometer südlich von Chiang Mai und 13 Kilometer östlich der Ruinen des historischen Sukhothais, das vom 13. bis 14. Jahrhundert die Hauptstadt des gleichnamigen Königreichs war.

Wir übernachten in einem kleinen Hostel an der Hauptstraße. Die Betten unseres Dreierzimmers sind mit schwarz-weiß-karierten Decken bezogen, die in unseren Augen flimmern. Wir breiten unsere Handtücher über den psychedelischen Karomustern aus. Das Flimmern ist nicht auszuhalten.

 

Karo everywhere.

Bevor wir das Licht ausknipsen, spielen wir eine Runde Taki, ein israelisches Kartenspiel, das ähnlich funktioniert wie UNO. Der Gewinner darf bestimmen, zu welcher Uhrzeit wir am nächsten Morgen aufstehen. Während Alex für 9 Uhr plädiert, möchte Petra den Wecker auf halb acht stellen. „Wir haben doch nur einen Tag in Sukhothai!“, sagt sie und mischt die Karten.

Um Punkt 7.30 Uhr klingelt der Wecker. Wenig später sitzen wir im Erdgeschoss beim Frühstück. Vor jedem von uns steht ein Obstteller mit je einer Mandarine, einem Rosenapfel, einer Guave und ein paar Stücken Yamswurzel. Die Früchte sehen exotisch aus, schmecken aber nach sehr wenig.

Unser Gastgeber Am hilft uns dabei, einen der langen offenen Lastwagen anzuhalten, die mehrmals täglich in den Geschichtspark Sukhothai fahren. Wir warten. Fünf Minuten, zehn Minuten, fünfzehn Minuten. „Dauert es immer so lang, bis einer dieser Busse kommt?“, frage ich. „Jetzt im Moment sind nicht so viele unterwegs, weil Nebensaison ist“, erklärt Am. „Und wann fängt die Hauptsaison an?“, erkundige ich mich. „Die ist im November, während des Lichterfests Loi Krathong.“ Ach so, denke ich. Und: Schade, dass Dezember ist.

Nach weiteren zehn Minuten hält endlich ein Bus an. Alex, Petra und ich klettern auf die lange Rückbank. Am winkt uns noch einmal zu, bevor er in seinem Hostel verschwindet. Langsam rattert der Bus in Richtung der archäologischen Stätten, die seit Dezember 1991 zum UNESCO-Welterbe gehören. Mit uns fahren nur zwei alte Frauen.

 

In einem zum Bus umgebauten offenen Lastwagen fahren Alex, Petra und ich zum Geschichtspark Sukhothai.
Überlebensgroße Buddhastatuen sitzen auf den backsteinroten Mauern. Lebensgroße Menschen vor ihnen. (Foto: Petra Maier)
Seit Dezember 1991 gehört die ehemalige Königstadt Sukhothai zum UNESCO-Weltkulturerbe.
Elefanten umringen den Wat Sorasak.
Eispause im Schatten
Der Wat Sri Sawai ist einer der ältesten Tempel im Geschichtspark. Er soll im 12. oder 13. Jahrhundert erbaut worden sein.

Wir leihen uns Fahrräder aus, um das 70 Quadratkilometer große Areal und die 193 Tempelruinen darauf zu erkunden. Die Räder haben weder Körbe noch eine Gangschaltung, doch das ist auch nicht nötig, die Straßen sind fast alle eben.

Als Erstes radeln wir zum Wat Mahathat nahe dem Eingang. Er ist der größte der mehr als 20 Tempel im zentralen Bereich der ehemaligen Königsstadt. Mir gefallen besonders die vielen überlebensgroßen Buddhastatuen, die auf den backsteinroten Mauern und zwischen den hohen Säulen sitzen. Mit ihren geschlossenen Augen und dem monalisahaften Lächeln scheinen sie von morgens bis abends zu meditieren.

Es ist angenehm, zwischen den Ruinen umherzufahren. Obwohl es über 30 Grad sind, stört uns die Hitze nicht. Wir machen oft Pausen im Schatten, essen Eis am Stiel unter dem Dach eines Pavillons, lassen einen Teil des riesigen Geländes einfach aus.

Bis zum Nachmittag treffen wir in der Ruinenstadt kaum andere Touristen. Im Gegensatz zum Geschichtspark Ayutthaya, der gerade einmal 90 Kilometer nördlich von Bangkok liegt, ist Sukhothai schlecht zu erreichen. Mehrmals täglich fahren zwar Direktbusse aus der Hauptstadt, doch die sind zwischen acht und elf Stunden unterwegs. Manchmal fühlt es sich so an, als wären wir und die Buddhas alleine zwischen den alten Tempeln.

 

193 Tempel befinden sich auf dem Gelände des Geschichtsparks Sukhothai.
Mit dem Fahrrad erkunden wir das 70 Quadratkilometer große Areal.
Das Sukhothai-Königreich bestand vom 13. bis zum frühen 15. Jahrhundert.
Seine Vormachtstellung verlor das Königreich Sukhothai im 14. Jahrhundert an Ayutthaya.

Mit dem Bus fahren Petra, Alex und ich spätnachmittags zurück in die Neustadt. In einem Restaurant im Zentrum essen wir grünes Curry, gebratenes Gemüse und Kuchen, trinken Limettensaft und Kaffee. Die Sonne geht bereits unter, als wir einem schmalen Wasserlauf zurück zu unserem Hostel folgen.

Vor dem Einschlafen spielen wir auf unseren psychedelisch schwarz-weiß-karierten Decken noch eine Runde Taki. Dieses Mal geht es aber nicht um das Bestimmen der Uhrzeit, zu der wir am nächsten Morgen aufstehen: Den 8-Uhr-Bus nach Bangkok und den Anschlussbus nach Kanchanaburi, circa 125 Kilometer westlich der Hauptstadt, haben wir längst gebucht.

 

Die Neustadt Sukhothais hat rund 37.000 Einwohner.
Lieblingsmenschen. (Foto: Petra Maier)

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